Brückenschlag

SAP PEO: Die Lösung besteht aus den zwei großen Bereichen „Production Engineering“ und „Production Operations“ mit ihren Sub-Modulen und -Funktionen. Bild: © Consilio
SAP PEO: Die Lösung besteht aus den zwei großen Bereichen „Production Engineering“ und „Production Operations“ mit ihren Sub-Modulen und -Funktionen. Bild: © Consilio

Die SAP-Lösung Production Engineering and Operations (PEO) richtet sich an Unternehmen, die im weitesten Sinn in der diskreten Fertigung tätig sind. Sie vernetzt Konstrukteure, Planer, Fertigungssteuerer, Arbeitsvorbereiter und Werker auf einer Plattform mit der gleichen Datenbasis.

Nimmt man die Geschäftsprozesse fertigender Unternehmen genauer unter die Lupe, sticht einem die Vielzahl heterogener Systemlandschaften ins Auge, die aus diversen PLM-, QM-, MES- und ERP-Software-Lösungen besteht. Darunter leidet die Effizienz der Produktion deutlich.

Grund: Engineering- und Order-Change-Prozesse verursachen aufgrund der unzureichenden Integration und der damit einhergehenden komplexen bidirektionalen Systemschnittstellen hohe Prozess- und Qualitätskosten – insbesondere wenn man eine zunehmende Produktvielfalt durch Engineer To Order (ETO), Make To Order (MTO), Configure To Order (CTO) und Assemble To Order (ATO) ins Kalkül zieht, die typisch für den Sondermaschinenbau und seine sehr komplexen Produkte mit einer vergleichsweise langen Durchlaufzeit ist.

Das stellt vor allem Anwender vor die schwierige Aufgabe ein solides Changemanagement zu etablieren, dass den eigenen und den Ansprüchen des Kunden entspricht.

Game Changer

SAPs Antwort auf diese Problematik heißt „Production Engineering“ und „Production Operations“ – kurz PEO. Mit diesem Modul, das vollständig in S/4HANA integriert ist, lässt sich die Produktionslandschaft homogenisieren, denn aus technischer Sicht ist PEO zwischen der Produktentwicklung (R&D) und dem Aftersales-Service – also in der Fertigung – angesiedelt.

Im Kern besteht die Lösung aus den zwei großen Bereichen PE und PO, die etliche Sub-Module und -Funktionen enthalten.
Bislang bot das Kernsystem von SAP keine vernünftige Schnittstelle für die Datenübergabe in SAP PP – weswegen Anwender mit Listen ohne 3D-Modelle hantieren mussten. S/4HANA hingegen ist mit der neuen TDMI-Schnittstelle (Team Data Management Interface) ausgestattet. SAP PEO versteht dadurch alle gängigen CAD- und PLM-Systeme, etwa die von Siemens, Solidworks, Windchill oder Teamcenter.

Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Engineering Stücklisten mit 3D-Modellen und zusätzlich mit PMI-Daten (Produkt Manufacturing Information) wie Toleranzangaben oder Schweißpunkten anreichern und in das SAP-Kernsystem transferieren. Das ermöglicht sehr granular aufgelöste komplexe Arbeitsabläufe, die mit 3D-Stücklisten verknüpft sind. Ein integriertes QM-Modul stellt außerdem eine fertigungsbegleitende Prüfung zur Verfügung.

PO-Prozess: Das Beispiel eines typischen Fertigungsprozesses zeigt, wie Aufträge in PEO durch- und ausgeführt werden. Bild: © Consilio
PO-Prozess: Das Beispiel eines typischen Fertigungsprozesses zeigt, wie Aufträge in PEO durch- und ausgeführt werden. Bild: © Consilio

Unter die Lupe genommen

Doch wie sieht PEO in der Praxis aus? Ein Standard-Prozess beginnt damit, dass aus dem PLM-System eine geänderte oder neue Stückliste für ein Produkt übergeben wird. Das Modul kann sowohl mit Konstruktionsstücklisten (EBOM), als auch mit allen Arten von Fertigungsstücklisten (MBOM) agieren. Diese werden im PEO einem Change Record zugeordnet, auf dessen Basis eine „Impact-Analyse“ (Wirkungsanalyse) durchgeführt werden kann.

Speziell die App „Impact-Analysis“ schließt somit eine Lücke, die bisher in vielen SAP-Projekten identifiziert wurde. Sie unterstützt so die Fertigung bei der schnellen und effizienten Bestimmung aller Fertigungsobjekte, die potenziell von einer Änderung betroffen sind – etwa Arbeitspläne, Stücklisten, Fertigungsaufträge, oder Bestellungen. Aus der „Change Record“-App heraus können die Änderungen an MBOMs – etwa Arbeitsplänen oder Fertigungsaufträgen – direkt geplant und durchgeführt werden. Dadurch stellt sie das zentrale Tool zur Analyse, Planung und Ausführung der Änderungen dar.

Mit dem „Visual Enterprise Manufacturing Planner“ (VEMP) bietet PEO außerdem ein neues Werkzeug für das MBOM-Management an, dass die Übergabe der Konstruktions- an die Fertigungsstruktur mit Hilfe eines interaktiven 3D-Modells ermöglicht.

Ein weiteres Highlight von PEO ist die Nutzung von Vorgangsaktivitäten – ein Feature, das sonst überwiegend aus MES-Softwarelösungen bekannt ist. Damit stellen die Fertigungsplaner einzelne Produktionsvorgänge eines Arbeitsplans in multiplen Aktivitäten dar, um den Detaillierungsgrad wesentlich zu erhöhen. Dabei haben sie, beispielsweise im Vergleich zu den bekannten Untervorgängen aus dem ERP, volle Funktionalität. Alle Aspekte eines Arbeitsablaufs wie Komponentenzuordnung, Arbeitsanweisungen, Prüfmerkmale, Fertigungshilfsmittel, Dokumente, Abnahmen, Qualifikationen und Maßnahmenbearbeiter lassen sich so Vorgangsaktivitäten zuordnen.

Damit die Effizienz der Arbeitsplanpflege ob der Vielzahl neuer Möglichkeiten nicht leidet, hat SAP die Methodik des „Drag&Drop“ eingeführt und so die „Useability“ stark verbessert.

Benutzeroberfläche: Neben klassischen GUI-Transkationen stehen dem Anwender eine Vielzahl benutzerfreundlicher Applikationen im SAP-Fiori-Launchpad zur Verfügung. Bild: © Consilio
Benutzeroberfläche: Neben klassischen GUI-Transkationen stehen dem Anwender eine Vielzahl benutzerfreundlicher Applikationen im SAP-Fiori-Launchpad zur Verfügung. Bild: © Consilio

PEO ergänzt PP

Die Integration von PEO in S/4HANA bedeutet nicht, dass damit das klassische SAP-PP abgelöst wird, sondern es muss vielmehr als Ergänzung gedacht werden. Alle PP-Funktionalitäten wie Stücklisten- und Arbeitsplanauflösung oder Auftragseröffnung und -freigabe stehen weiterhin zur Verfügung und agieren vollständig homogen mit den neuen Applikationen und Funktionen.
Dabei werden die Vorgänge hauptsächlich zur Planung, Terminierung und Kalkulation verwendet, wohingegen die neu eingeführten Aktivitäten in der Shop Floor Execution eingesetzt werden. Eine Besonderheit stellt auch die Fertigung von serialisierten Baugruppen da. Hier bieten Order Management und Order Control als Module des PO erweiterte Track-and-Trace-Funktionalitäten im Rahmen der Serialisierung.

Die vielseits bekannten Arbeitsvorratslisten, die in Industrieunternehmen oft mit Hilfe von Excel oder Z-Tools im SAP aufwändig erzeugt werden, können jetzt direkt in SAP PEO aufgerufen werden. Dabei unterscheidet die neue Lösung zwischen personalisierten Work-Queues für Werker oder arbeitsplatz-/ressourcenbasierenden Queues. Rückstände, Defekte und Buy-offs können direkt von der für den Werker geschaffenen UI (Perform Operation Activity) initiiert werden.
Alle Informationen, die sich bei der Durchführung von Aktivitäten ansammeln, sowie alle Rückstände, Defekte und Buyoffs dokumentiert das Aktionsprotokoll – in Granularität der Seriennummer. Das erhöht die Prozesssicherheit und vermeidet teuere Nacharbeiten. Für die gesamten Funktionen bietet das System neben klassischen GUI-Transkationen eine Vielzahl von benutzerfreundlichen Applikationen im SAP-Fiori-Launchpad an.

Auf dieser Grundlage ist es möglich, End-2-End-Prozesse mit einer lückenlosen Traceability in Bezug auf Engineering Changes zu implementieren und etablieren. Damit erhalten Konstrukteure, Planer, Fertigungssteuer, Arbeitsvorbereiter und Werker eine Plattform, die auf die gleiche Datenbasis zugreift.

Autor: Dominik Karosser, Consilio GmbH

Web:
www.consilio-gmbh.de