X-fache Standzeit

Der Mikroschliff zeigt, dass die (CrMoVTi)C Hartstoffschicht durch das 3D-TT-CVD Verfahren fest mit dem Substrat verankert ist. © Technisches F&E-Zentrum
Der Mikroschliff zeigt, dass die (CrMoVTi)C Hartstoffschicht durch das 3D-TT-CVD Verfahren fest mit dem Substrat verankert ist. © Technisches F&E-Zentrum

Sind PVD und CVD – zumindest deren bekannte Spielarten – als Beschichtungsmethoden für Werkzeug von gestern? Die Zukunft könnte dem 3D-TT-CVD-Verfahren gehören.

Mitte der 50er-Jahre entwickelte die Metallgesellschaft ein Normaldruck-Oberflächenveredelungsverfahren, durch das zum ersten Male Hartstoffe wie TiC, TiN und TiCN bis über 10 µm Schichtdicke auf Stahloberflächen im Temperaturbereich zwischen 850 und 1.050 °C abgeschieden werden konnten. Die hohe Mikrohärte dieser Hartstoffe von 2.450 HV (TiN) und 3.200 HV (TiCN), ihre geringe Neigung zum Kaltverschweißen und ihr entsprechend niedriger Reibungsbeiwert machten diese Werkstoffe besonders für die Umformtechnik interessant.

Die Beschichtung mit dem 3D-TT-CVD-Verfahren bewirkt eine mehr als zehnfache Standzeit gegenüber einer per PVD aufgebrachten TiN-Schicht. © Technisches F&E-Zentrum
Die Beschichtung mit dem 3D-TT-CVD-Verfahren bewirkt eine mehr als zehnfache Standzeit gegenüber einer per PVD aufgebrachten TiN-Schicht.
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Problem: Verzug beim Härten und Anlassen

Leider verhinderte die hohe Herstellungstemperatur eine breitflächige Anwendung dieses Verfahrens in der Veredelung von Umformwerkzeugen und Zerspanungswerkzeugen aus HSS. Die Ursache dafür ist das nach dem Beschichten notwendige nochmalige Härten und Anlassen aller beschichteten Werkzeuge. Diese thermischen Nachbehandlungen führen fast immer zu einem nicht reparablen Verzug, der 95 Prozent aller veredelten Werkzeuge betreffen kann.

Man wollte aber dennoch die Technologie nicht sofort begraben und beschloss, einen besonders verzugsfreien Stahl zu entwickeln. Dies ist in besonders kurzer Zeit gelungen: Der Stahl 1.2601 wurde in relativ großen Mengen hergestellt. Die Entwicklung dieses Stahls in Verbindung mit dem Normaldruck-CVD-Verfahren (Chemical Vapour Deposition) verursachte in der Umformtechnik einen beachtlichen wirtschaftlichen Sprung nach vorne. Aus ihm wurden verschiedene Biege- und Stanzwerkzeuge hergestellt. Das Normaldruck-CVD-Verfahren erwies sich jedoch für eine Oberflächenveredelung von Werkzeugen und Maschinenbauteilen aus Hartmetall (HM) als absolut ungeeignet. Die Ursache ist die Entstehung einer unerwünschten, sehr spröden η-Phase in der HM-Oberfläche.

Erst Mitte der Siebzigerjahre konnte das Problem der η-Phase dank der Entwicklung des Hochtemperatur-CVD-Unterdruckverfahrens gelöst werden. Jedoch konnte mit dem Unterdruckverfahren das Problem einer erneuten verzugsfreien thermischen Nachbehandlung (Härten und dreimaliges Anlassen) von Werkzeugstählen nicht gelöst werden. Somit ist dieses Verfahren bis heute für die Oberflächenveredelung von Umform-, Zerspanung- und Spritzgießwerkzeugen nur in einem sehr geringen Maße oder überhaupt nicht geeignet.

Erste Lösung: PVD

Drei physikalische, reaktive Niedertemperatur-PVD-Beschichtungsverfahren (PVD) sollten die Lösung bringen: das Balzers-, das Multi-Arc- und das Leybold-Heraeus-Verfahren. Damit werden bis heute problemlos Metall-Nitride, -Oxide, -Oxinitride und unterstöchiometrische Metall-Karbonitride des Typs MeC0,3N0,7 mit maximal 2400 HV bis 2500 HV Mikrohärte zwischen 100 °C und 700 °C herstellen. Nicht herstellbar sind mit diesen drei Methoden reine stöchiometrische Karbide, Mischkarbide miteiner mikrohärte von 2800 HV bis 3200 HV und entsprechende Karbonitride von MeC0,5N0,5 und MeC0,9N0,1 mit einer Mikrohärte von 2.400 bis 2.800 HV.

Aus Untersuchungen von Hans Krause (RWTH Aachen) in den 70ern und 80ern sowie weiteren Forschungen der Brüder Paterok geht hervor, dass gegen Bohrreibung, äußere Reibung,Gleit-, Haft-, Roll- und Wälzreibung am besten reine Metall-Karbide und gezielt hergestellte Mischkarbide wirken. Ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften bewirken eine gravierende Senkung des abrasiven und des adhäsiven Verschleißes sowie der Tribo-Oxidation und beugen zum Teil auch der Oberflächenzerrüttung vor.

Metall-Karbide zeichneten sich in den Versuchen durch eine besonders hohe Abriebsresistenz gegen Eisen-, Nichteisen-Metalle und Nichteisen-Legierungen sowie einen niedrigen Reibungskoeffizienten von 0,14 bis 016, eine Mikrohärte von 3200 HV (TiN 2450 HV, Al2O3 2100 HV), einen hohen Schmelzpunkt (TiC 3140 °C), eine geringe Wärmeleitfähigkeit, eine geringe Wärmeausdehnung und – besonders TiC – eine sehr gute Haftung sowohl auf Stahl als auch auf Hartmetallen aus.

Mittels 3D-TT-CVD werden auch Werkzeuge mit sehr tiefen 3D-Oberflächenstrukturen beschichtet, wie diese Tiefziehwerkzeuge. © Technisches F&E-Zentrum
Mittels 3D-TT-CVD werden auch Werkzeuge mit sehr tiefen 3D-Oberflächenstrukturen beschichtet, wie diese Tiefziehwerkzeuge.
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Bessere Lösung: 3D-TT-CVD

Wegen dieser Eigenschaften suchte man bereits am Anfang der 80er-Jahre nach Mitteln und Wegen für die Herstellung von Metallkarbiden, die im Bereich der Anlasstemperatur von Umform- und Spritzgießwerkzeugen mit komplizierten und einer sehr genauen geometrischen Form auf ihren Oberflächen abzuscheiden wären. Im letzten Jahrzehnt erreichten Brüder Paterok im Technischen F&E-Zentrum für Oberflächenveredelung und Hochleistungswerkzeugbau in Schömberg im nördlichen Schwarzwald die Serienreife eines neuen 3D-Tieftemperatur-CVD-Verfahrens (3D-TT-CVD). Die Abscheidung von Metall-Karbiden statt PVD-Nitriden auf sowohl geometrisch einfachen als auch sehr komplizierten und tiefen Umform- und Spritzgießwerkzeugen führte zu einer beachtlichen Lebensdauersteigerung.

Mittels dieses Verfahrens werden Werkzeuge und diverse Maschinenbauteile mit sowohl sehr seichten als auch sehr tiefen 3D-Oberflächenstrukturen beschichtet, wie Drahtziehsteine aus Stahl und Hartmetall, Tiefziehringe und -stempel, Einsenkmatrizen und Stempel, Gewindebacken, Gewinderollen für Flachbacken- und Segmentverfahren, Werkzeuge für Einstechverfahren, kombiniertes Einstech-Axialschubverfahren, Fließpressbuchsen, Zwischenplatten, Pressstempel, Matrizen und Stempel für Freies Biegen, V-, U-Biegen-, Walzen für das Walzbiegen, im Temperaturbereich 520 °C bis 550 °C mit entsprechenden Mischkarbiden.

Umformwerkzeuge werden in der Industrie aus Kaltarbeit-, Warmarbeit-, Hochleistungs-Schnellarbeits-Stählen (HSS) und differenten Hartmetallen hergestellt. Je nach Stahlsorte liegt die Anlasstemperatur zwischen 150 °C und 560 °C. Um sehr gute Werkzeugstandzeiten durch Beschichtung zu erzielen, ist für Matrizen, Backen, Buchsen, Tiefziehringe, Rollen (Walzen) und Stempel der Werkzeug-Werkstoff so zu wählen, dass die Anlasstemperatur oberhalb 540 °C liegt, vorzugsweise also Warmarbeits-, HSS oder Hartmetall.

Unter anderem werden in Schömberg Biegeleisten aus dem Stahl 1.2379 mit dem Nano-Hartstoffsystem (CrMoVTi)C per 3D-TT-CVD veredelt. Hier ist die Standzeit beim U-Biegen von Blech im Vergleich mit TiCN-(PVD)-beschichteten Biegeleisten auf das Vier- bis Sechsfache gestiegen. Beim Walzbiegen von 2,5 Millimeter dickem V4a-Blech (1.4571) wurde die Standzeit von VHM-Biegewalzen auf das Acht- bis Neunfache erhöht. Durch den Einsatz von (CrMoTi)C konnte die Lebensdauer einiger Matrizen und entsprechender U-Biegeleisten mit einer gesamten Länge von 950 Millimetern im Vergleich zu PVD mit TiN um 450 bis 700 Prozent erhöht werden.

Gewaltige Standzeiterhöhungen

Per 3D-TT-CVD beschichtete HSS-Matrizen und Stempel zum Kupfer-Tiefziehen (99,7 % Cu) ertrugen 250.000 statt 35.000 Stück. Verschleißtreiber war zuvor die Kaltverschweißung der Werkzeugoberfläche mit dem Kupfer. Ähnliches hatte man mit 99,5-prozentigem Silber erlebt (6- bis 7-fache Standzeit). Einige andere Fe- un NE-Legierungen hatten „nur“ eine Steigerung auf das Vierfache erbracht. Stets zu beobachten war die geringe Neigung zum Kaltverschweißen.

Voraussetzung für gute Ergebnisse ist die Qualität des Werkzeug-Werkstoffes: Rostige Oberflächen, defekte Kanten und Ecken, Erodierfehler, Schotter- und Rattermarken lassen sich durch die beste Beschichtung nicht heilen, innere Strukturveränderungen, die oft mehr als 20 µm in die Tiefe reichen, sind nicht mehr zu beseitigen. Solche Oberflächenfehler am Werkzeugkörper sind meist die Ursache für mangelnde Haftung auch der besten Beschichtung.

Web:
www.technisches-fe-zentrum.com